Filmkomponist Tobias Alexander Ratka

Er träumt von Hollywood – und ist auf dem besten Weg dorthin. In jungen Jahren komponiert Tobias Alexander Ratka schon Filmmusik für Rundfunk und Kino.

Servus Tobi,
Glückwunsch, d
eine Kompositionen wurden dieses Jahr in den ORF-Enterprise-Musikverlag des Österreichischen Rundfunks aufgenommen.
Für den ORF habe ich u. a. die neuen Titelmelodien der Sendereihen UNIVERSUM „Nature“ und „History“ komponiert. UNIVERSUM ist, so bescheiden man das sagen kann, eine der größten Sachen, die du als Filmkomponist in Österreich erreichen kannst. Aber ich muss am Boden bleiben, es ist nicht der eine Job, der zum Durchbruch führt.

Wie geht ihr beim ORF mit Corona und dem Thema Mobile Office um?
Ich mache eh fast immer Homeoffice, da ich freiberuflich beim ORF bin. Hier in diesem Zimmer sitze ich eigentlich jeden Tag, rund um die Uhr. Im Kamera-Hintergrund wirkt es professionell, aber da drüben hinter der Leinwand steht mein Bett. Muss ja keiner wissen (lacht). Und: Ey, ich habe heute einen Pullover an, keinen Bademantel. Das ist ein Fortschritt!

Du hast du den Kinofilm „Elephant to India“ vertont. Wie war es für dich, den fertigen Film auf der großen Leinwand zu sehen?
Die Musik im Kino zu hören war schon sehr verrückt. Damals war ich sogar noch 18! Ok, das ist jetzt nicht so ein Unterschied [er ist jetzt 20]. Es war ein Wahnsinns-Gefühl, unbeschreiblich. Aber ich habe den Film davor so oft gesehen, dass ich mir dann eher das Publikum und seine Reaktion angeschaut habe. Ich freu mich über jedes Feedback, egal, von wem es kommt. Ob es jetzt Steven Spielberg ist oder der Nachbarsjunge, da mach ich nicht so den gigantischen Unterschied. Ich mein… schon! Aber es berührt mich trotzdem, wenn es ein nettes Feedback ist. Auch Kritik nehme ich gerne an, solange sie konstruktiv ist.

Tobias Alexander Ratka

Filmkomponist Tobias Alexander Ratka, Jahrgang 2000

„Ich liebe Filme mit stimmungsvollem Soundtrack. Deswegen wollte ich mit Tobias über sein Schaffen sprechen.“

Sarah von Ceiton

Welcher war der bedeutendste Moment deiner Karriere soweit?
Ich wurde ins Außenministerium eingeladen, weil die Musik zu „Elephant to India“ so gut angekommen ist. Das war ein bisschen crazy.

Tobi spricht über seine Arbeit als Filmkomponist (2019).

Und woran arbeitest du aktuell?
Uh, ich bin total ausgelaugt grad (lacht). Ich mach jetzt meinen dritten Film bzw. zweiten Kinofilm. Im Laufe von 2020 habe ich den Indie-Spielfilm „Amel?“ vertont, der ist erst vor ein paar Wochen abschließend fertig geworden. Und jetzt mach ich „Dinner für Acht“, einen Comedy-Thriller fürs Kino. An dem arbeite ich sehr zeitintensiv, da bin ich teilweise sogar schneller als der Schnitt. Es ist wirklich paralleles Arbeiten. Für den ORF gibt es auch schon ein Projekt für 2021.

Du trittst mit 19 Jahren sehr professionell auf.
Ja, ich versuche es. Man muss sich zumindest so darstellen in jungen Jahren. Ich höre öfters, wie „beeindruckend“ ich in meinem Alter schon sei. Aber man muss trotzdem diese Hemmschwelle der anderen überwinden. Niemand stellt einen 18, 19-Jährigen an. Es ist schwierig, von einem 40-Jährigen, eingesessenen Filmemacher ernst genommen zu werden, egal was man im Lebenslauf stehen hat.

Du hast mal sinngemäß gesagt: „Ich schau mir einen Film rauf und runter an, improvisiere zu dem Bild und mit der Zeit ergibt sich eine Melodie. Die meisten Stücke mache ich nach Gehör“.  Ist das noch so?
Ja, meine Arbeitsweise ist intuitiv, da gibt es keine Formel. Ich improvisiere einfach gern Sachen: Ich klopfe einen Rhythmus zu einer Szene, bis er mir gefällt. Oder ich programmiere mir irgendeinen Sound, den ich cool finde. Und dann kommts eh von alleine.

Der Unterschied von einem Film zu einem Roman ist im Endeffekt, dass man im Buch unendlich viel Zeit hat, eine Szene auszuschmücken und die Hintergründe zu erklären. Bei einer Filmszene, z. B. wenn jemand „Ich liebe dich“ sagt, werden alle Emotionen in diesen 2-3 Sekunden vermittelt. Die Backstories muss man entweder schon im Laufe des Films etablieren oder mit der Musik retten. Das ist dann mein Job.

Wie bist du eigentlich zur Filmmusik gekommen? Andere Musiker gründen ja z. B. eine Band oder versuchen sich als DJ?
Na ja, ich habe ein bisschen zu viel Lampenfieber vor Publikum und fühle mich wohler in meinem Studio. Mein Stiefvater hat eine Filmproduktion in Wien. Er macht viele Werbespots, Imagefilme usw. Deswegen bin ich in diesem ganzen Filmbereich überhaupt aufgewachsen. Und sein Musikgeschmack ist Filmmusik. Ich bin immer viel mit Musik konfrontiert gewesen und auch mit Film allgemein. Irgendwann habe ich dann angefangen, Orchestersuiten aus den Filmen nachzuspielen. Auf einmal war der erste Auftrag da und dann ist das eskaliert (lacht). Now I´m here.

Du hast deinen Mentor, den Filmkomponisten Joe Kraemer (Mission: Impossible Rogue Nation) bei den „Hollywood Music Workshops“ kennengelernt. Wie war das für dich?
Am Anfang war es sehr bizarr. Als ich Joe kennengelernt habe, war ich 15. Und mit 15 bist du der absolut jüngste im Kurs. Der „Hollywood Music Workshop“ in meiner Heimatstadt Baden ist international sehr anerkannt. Da kommt die ganze Welt angereist. Oft bin ich der einzig Deutschsprachige, abgesehen von denen, die dort arbeiten. Beim Einlass höre ich, dass die Leute z. B. aus Australien oder Russland kommen. Wenn ich gefragt werde, sage ich immer „Zwei Straßen weiter. Da bin ich grad her spaziert“.

Hollywood? Ich glaub, das ist doch der Traum von uns allen!

Gibt es einen aktuellen Trend bei der (internationalen) Filmmusik?
Es gab einen, aber er schwächt jetzt wieder ab. Im letzten Jahrzehnt hat Hans Zimmer mit seinem Inception-Soundtrack sehr prägende Auswirkungen auf die Film- und Trailer-Musik gehabt. Da war dieses „BRAAAAMMM“ – die ganze Zeit, bei jeder Action-Szene. Das ist jetzt wieder zurückgegangen, aber 2015 herum war das ziemlich heftig. Es gab auch ein Comeback der 80er-Jahre z. B. bei „Stranger Things“ von Netflix oder der neuen „It“-Reihe von Steven King. Momentan wird es wieder sehr offen. Ich habe das Gefühl, dass in Hollywood wieder der Trend ist, einen eigenen Sound auszuleben und neue Sachen zu probieren.

Du hast dich gegen ein Musik-Studium entschieden und nutzt eher YouTube, Workshops und „learning by doing“, um dich weiterzubilden. Hat das klassische Studium im digitalen Zeitalter ausgedient?
Nach einem Studium wurde ich noch nie gefragt. Die Einzigen die fragen, warum ich nicht studiert habe, sind meine Großeltern. Es interessiert niemanden in diesem Bereich. Es kommt nur darauf an, was man kann. Nicht, warum man es kann. YouTube und das Internet sind für mich insofern gut, weil ich konkrete Fragen habe. Wenn ich nicht weiterweiß, kann ich gezielt suchen und bekomme eine Antwort.

Es hängt aber vollkommen von der Person ab. Ich habe ja mit sieben Jahren angefangen. Eine Bekannte will jetzt auch Filmmusik machen, hat es aber noch nie probiert. Wenn ich jetzt quer einsteigen würde mit 18 und noch keine Ahnung hätte, wo und wie ich anfangen soll, bräuchte ich auch einen Unterricht, der mir das strukturiert vorbereitet.

Du spielst Gitarre und Klavier. Lernst du noch andere Instrumente?
Nein, für meine Arbeit brauche ich hauptsächlich das Klavier. Es ist wichtiger, produzieren zu können und mit Samples umzugehen. Ich habe z. B. das Gefühl, dass an den Unis immer noch nicht beigebracht wird, wie man ein gescheites Stück produziert. Damit es vom Sound her gut klingt. Das ist aber da wichtigste! Wenn du dir mein UNIVERSUM-Intro anhörst, ist das musikalisch im Endeffekt ein Popsong. Aber es klingt halt echt, als ob ich es aufgenommen hätte. Es ist gut produziert und das ist der Grund, warum es genommen wurde.

Was rätst du Newcomern?
Dass sie auf gut Deutsch ihren Hintern bewegen und einfach machen sollen. Ich kenn das von mir selbst, man sucht sich Ausreden wie „Jetzt kann ich das nicht machen, weil…“ oder „Ich kann das nicht“. Aber man hat ja nichts zu verlieren, vor allem, wenn man gerade anfängt. Jeder macht Fehler und aus denen lernt man. Jeder kriegt Absagen, egal wie erfolgreich man ist. Und wenn man nicht in die Uni reinkommt: Einfach trotzdem Musik machen – und networken. Ich meine, wir sind keine Ärzte! Es ist wurscht, ob wir das dort gelernt haben oder nicht.

Danke für das Gespräch Tobias. Ich wünsche dir viel Energie für deine weiteren Projekte!
Danke, ich habe meine Koffeinkaugummis im großen Vorrat (lacht).

Das Interview mit Tobias Alexander Ratka führte Sarah Barnert am 04.11.2020. Sarah betreut unsere Social Media Kanäle und schreibt über Branchentrends.